Emotionen sind bei kleinen Kindern ja so eine absolute Überraschungskiste. Sowohl, was deren explosionsartiges Erscheinen betrifft als auch deren oft wahllose Zuordnung zu Situationen. Ich merke unter anderem, wenn wir ein Buch anschauen, in dem wer vor Freude oder Lachen weint und meine Tochter dann vermutet, dass der “Aua hat”. Ist ja auch irgendwie logisch – Tränen sind in erster Linie mit Schmerzen verbunden. Das macht mir aber wiederum bewusst, dass auch das Erkennen von Emotionen erst erlernt werden muss. In unserem Fall starten wir mal mit “Wütend” von Britta Teckentrup (Prestel Verlag).

 

Was Wut ist, dürfte meine sehr impulsive Maus mit ihren 33 Monaten zwar theoretisch schon sehr gut wissen – es zu benennen, funktioniert hingegen noch nicht. Und weil sie eben auch mal ganz schnell auf 180 ist, fand ich das Buch einfach so passend 😉 

 

 

Im hier vorliegenden Werk wird die Wut als kleines Mädchen personifiziert, das wütet und tobt, braust und faucht. Was es mit einem macht, wenn man von Wut ergriffen ist, wie man im wahrsten Sinne rot sieht, aufbraust, stürmt und peitscht, wie ein Drache, ein Wirbelsturm, das wilde Meer – das wird hier bildgewaltig dargestellt. Wunderschöne Zeichnungen, die genau das rüberbringen, was Wut ausmacht. Starke Farben, viel rot, schwarz, wild Pinselstriche und viel Bewegung – unheimlich toll umgesetzt.

Die Texte lesen sich klanggewaltig und lassen sich perfekt vorlesen, wobei auch hier die Worte einfach so stimmig gewählt sind, dass es beim Vorlesen brodelt und schäumt, grollt und lärmt. Mir macht das richtig viel Spaß, weil man sich da stimmlich so schön ausleben kann. 

Obwohl ich dachte, dass es meine Tochter vielleicht nicht so anspricht, weil es etwas zu erwachsen oder künstlerisch sein könnte, trifft dies nicht zu. Sie betrachtet die Bilder mit Interesse und hört begeistert zu. Ob das mit der Wut schon so ankommt, das weiß ich nicht, aber was mir sehr gefällt ist auch die abschließende Botschaft, die nämlich lautet, dass das Ausleben der Wut neue Wege bereiten kann. 

Statt alles in sich reinzufressen, wird hier dafür plädiert, seine Emotionen auszuleben und sich zu reinigen, also genau das, was in der Antike als Katharsis bezeichnet wurde. Wer sich mit seiner Wut auseinandersetzte, ihr Raum gibt und sie sich zu Nutze macht, dem verleiht sie Mut und Stärke. Und das ist doch mal eine schöne Erkenntnis, dass Wut auch ihre positiven Seiten hat, oder?