Nachdem ich bei meinem letzten Jesper Juul (Dein selbstbestimmtes Kind) festgestellt habe, dass es leider nicht das war, was ich mir erhofft hatte, probiere ich es diesmal mit “Nein aus Liebe: Klare Eltern – starke Kinder”, das mir dabei helfen soll, mein “Nein” überzeugend zu äußern ohne damit jedes Mal ein Drama auszulösen und am Ende dann doch nachzugeben. Ich sage nämlich zwar ziemlich oft nein, der Erfolg ist jedoch eher mäßig. Schauen wir also mal, ob ich hier Tipps kriege, dass das zukünftig besser wird. Als erstes rät Juul einem dazu, das “nein” zu lernen, um auch das “ja” als ehrliche Antwort zu ermöglichen. Dabei sieht er das “nein” nicht als Ausdruck der Autorität, sondern als als Abgrenzung des Individuums von seiner Umwelt. 

 


Die Unfähigkeit der heutigen Elterngeneration den Kindern etwas zu verbieten erklärt er sich damit, dass diese konfliktscheu oder bequem sind oder auch finanziell so gut gestellt, dass das Abschlagen einer Bitte aus materiellen Gründen einfach nicht notwendig ist. 
Während schon Babys in der Lage sind, den Eltern etwas zu verwehren, möchten diese wiederum ihren Kindern möglichst jeden Wunsch erfüllen. Was ich hier ein bisschen merkwürdig finde, ist der Vorschlag, wenn das Baby einen nachts um drei Uhr weckt und man keine Lust zum Aufstehen und rumtragen hat, das Mantra zu sprechen, dass das Aufstehen aus eigenem Antrieb erfolgt und es mein Wunsch ist, hier zu sitzen bis das Kind wieder einschläft. Wenn man es schafft, sich das einzureden, “spürt das Kind die Substanz des Erwachsenen und kooperiert”. Nun ja. 

Was ich hingegen durchaus nachvollziehen kann, ist die Aussage, dass Kinder es spüren, wenn man nicht hundertprozentig hinter seiner Aussage steht. Wenn ich mir bei dem, was ich sage, unsicher bin oder es selbst anzweifle, dann spürt mein Kind die Unsicherheit und wird meine Aussage in Frage stellen. 
Auch der Hinweis, dass Kleinkinder Grenzen immer wieder übertreten, weil sie schlicht von ihren eigenen Wünschen und Bedürfnissen übermannt werden und gar nicht anders können, hilft mir in manchen Situationen weiter. Klare Ansagen, direkt aber liebevoll und stetige Wiederholungen sind der Schlüssel zu einem Entspannten Miteinander. 
Wie wir dabei  mit unseren Kindern reden solle, wird in vielen praktischen Beispielen gezeigt. 
Ja, da erkenne ich mich durchaus bei denen, die als nicht ganz geglückt bezeichnet werden. Dann gibt es ein umfangreiches Kapitel zum Thema “Ton und Musik”, in dem wir wieder lernen, dass das, was wir sagen zu dem passen muss, wie wir es sagen. Auch hier gibt es wieder viele praktische Anwendungsbeispiele mehr oder weniger geglückter Kommunikation. 

Was ich am Rande schon einmal gelesen hatte, aber mich noch nicht intensiv damit auseinandergesetzt hatte, ist der Unterschied zwischen Wunsch und Bedürfnis. Auch darauf geht Juul ausführlich ein, aber hier gibt es erneut Vorschläge, die mich eher ratlos zurücklassen. 
Weltfremd finde ich den Ratschlag von ihm, dass Mütter sich doch an die Freundinnen der Töchter wenden sollen, wenn diese Angst haben ohne Markenklamotten ausgeschlossen zu werden. Das hier abgebildete Textbeispiel ist so unrealistisch, dass ich beschämt bin. Klar “Das Problem is nur, dass wir nicht genug Geld haben, um so eine teure Marke ui kaufen, und jetzt hat sie Angst, dass sie von euch aufgezogen oder gemobbt wird, wenn sie eine andere trägt. Meint ihr, da ist was dran?” Ernsthaft? Also welche Mutter würde sich und ihrer Tochter so die Blöße geben? Und welche Freundin würde auf so eine Frage dann ehrlich antworten: “Ja, sorry aber wenn die halt in Billighosen rumläuft, kann ist die halt raus.”

Manchmal ist der gute Herr dann halt einfach zu idealistisch. Und dann geht es noch einmal ganz zentral um das “nein” in seinen unterschiedlichen Formen: das reflektierte, das spontane und das verhandelbare. Spannend finde ich die Info, dass ein Kind in acht bis zehn Tonarten weinen kann. Bei den Eltern besteht das Weine meist aus einem Frustrations-Zorn-enttäuschte-Erwartungen-Cocktail. Eltern sollten hier aber nicht zu schnell trösten, relativieren oder ablenken. Stattdessen solle man Sätze wie “Ich verstehe, dass du sehr enttäuscht bist. Ich hoffe, du kommst bald darüber hinweg.” Sagen. Also da würde ich mich ja veräppelt fühlen :/

Auch der Hinweis, dass er seine Frau häufiger fragen würde, das sie sich denn zum Abendessen wünsche “ohne dass ich mich verpflichtet fühle, ihren Wunsch unbedingt zu erfüllen. (…) Solche Fragen bringen ein Interesse an der Meinung des anderen, an Kommunikation und Inspiration zum Ausdruck…”. Kann man so sehen, muss man aber nicht. Wenn ich gefragt werden würde, das ich möchte und dann wird das einfach nicht beachtet, weil es rein der Kommunikation diente, dann hätte man sich das sparen können. Das ist ja als würde ich fragen, was sich jemand zum Geburtstag wünscht und dabei gar nicht zuhören, weil ich eh nicht vor habe, ihm etwas zu schenken, das er sich wünscht. Da ist die Enttäuschung doch vorprogrammiert.

Und dann geht es noch um das “nein” gegenüber autonomen Kindern, Jugendlichen, Teenagern, dem Partner und auch von Kindern den Eltern gegenüber. Da gibt es durchaus noch den ein oder anderen spannenden Ansatz. Für mich waren durchaus hilfreiche Gedanken dabei, die ich versuchen werde, zu beherzigen. Ganz auf einer Wellenlänge bin ich mit Jesper Juul aber noch nicht. 

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