Bisher habe ich mich mit dem “inneren Kind” noch nicht beschäftigt, bin aber in diversen Eltern-Foren immer wieder auf die Thematik gestoßen, wenn es darum geht, zu verstehen, warum wir reagieren, wie wir reagieren, warum uns gewisse Dinge triggern und wie unsere eigene Kindheit unser Verhalten heute noch immer steuert. Als ich dann von “Das Kind in mir kann mich mal: Lass dich von deiner Vergangenheit nicht tyrannisieren – du bist unkomplizierter, als du denkst” von Katharina Pommer (Goldegg) las, war ich sofort Feuer und Flamme, denn so manche Prägungen der Kindheit, würde auch ich ganz gerne ab und an mal ignorieren können.
Allerdings bin ich schon beim Intro etwas irritiert, denn “das „innere Kind“ steht für alles, was in unserem Leben nicht glatt läuft”. Okay, so kannte ich das nicht. “Jetzt entscheide ich, wie ich mich fühle und nicht mehr andere!” sagt Pommer. Denn nach ihrer Ansicht können wir zu jedem Zeitpunkt selbst bestimmen, mit welcher Grundeinstellung wir dem Leben begegnen.
Dann allerdings kommt bei immer mehr Ansätzen der Hinweis, dass es aber auch anders sein kann und man eben nicht immer alles in der Hand hat. Die sperrigen Kapitelüberschriften “Wenn das Unerwartete zum Segen wird und die Wahrheit ans Licht kommt” oder auch “Steine auf dem Weg zur Veränderung und das Ding namens: Brett vorm Kopf” passen leider sehr gut zum ebenso sperrigen Buch. Bis Seite 50 quäle ich mich, dann gebe ich auf. Ich kriege keinerlei Zugang zu Pommers Schreibstil. Fließtext nur unterbrochen durch Kursiv und Zitate, das ermüdet unglaublich.
Auch die Beispiele finde ich irgendwie fragwürdig. Beispiel erwünscht?
Heinz, 49, erzählt: “Als ich ein kleiner Junge war, hörte ich, sobald ich mir wehtat: Ein Indianer kennt keinen Schmerz. Somit wurde mir beigebracht, Schmerz zu vermeiden oder so zu tun, als wäre nichts passiert. Erst viele Jahre und ein Burn-out später lernte ich, ohne Scheu zu sagen, dass ich Hilfe, Pause und Mitgefühl brauche.”
Äh – ja. D>en Satz kenne ich auch und Millionen anderer Menschen auch. Ob die das jetzt alle so einschätzen würden und deswegen einen Burnout hatten? Eher nicht, oder?
Ich bin da wohl einfach zu unerbittlich und schlicht nicht die Zielgruppe. Ich finde auch die Aussage, dass wir uns damit abfinden sollen, dass wir unser Schicksal nicht immer steuern können und uns nicht mit der Frage, warum etwas passiert ist, quälen sollen, was das einen zermürbt, unbefriedigend. Klar will ich, wenn mich etwas ärgert oder ich mit einem Ergebnis unzufrieden bin wissen, wie ich das besser hätte machen können. Und wenn die Autorin dann kritisiert, dass wir eine Generation sind, die “nach wie vor den Kindern bereits im Kleinkindalter versucht beizubringen dass Fleiß und Leistung das Ultimativum im Leben sind und Fehler oder Umwege tunlichst zu vermeiden sind, um “voranzukommen”, dann frage ich mich, was daran falsch ist.
Wir sind eben eine Leistungsgesellschaft und ja, manch einer zerbricht daran. Aber diese Kritik klingt für mich so nach Wolldorfschul-Mentalität. Sorry, damit kommst du halt einfach bei uns nicht durchs Leben.
Und dann wäre da noch die Problematik, dass nicht abschließend geklärt werden kann, ob ich meines eigenen Glückes Schmied bin oder stets ein Opfer. Hier zu antworten “das ist ein Frage- und Antwortspiel. Finde ich die Antwort, finde ich auch mich selbst” finde ich persönlich wahnsinnig unbefriedigend.
Und so Sätze wie “Haben wir das Gesetz der Anziehung und die Kraft des positiven Denkens für uns begriffen, verstehen wir auch, dass es nicht darum geht, sich das Schicksal schönzureden oder es in eine erklärbare Schublade zu packen oder einander Schuldgefühle zu vermitteln.” oder “Doch Vorsicht! Gerade, wen wir Traumata erleb haben, können gewisse Achtsamkeitsübungen oder positiv trainierte Denkweisen sogar gefährlich werden.” Nee, sorry, da bin ich einfach raus. Wer nicht selbst beruflich irgendwas mit Psychologie macht, wird hier wohl ebenso überfordert sein.
Extrem viel Blabla und Geschwafel ohne zum Punkt zu kommen. Eine optisch unansprechende Gestaltung und einfach eine nicht flüssig lesbare Aneinanderreihung von Phrasen und Psycho-Thesen. Geht leider so gar nicht und ich schmeiße das Handtuch.
Wie gut, dass ich auf den ersten Seiten bereits gelernt habe, die Schuld des Versagens nicht bei mir zu suchen. *ironieoff’