Nein, wir leben hier nicht vegan. Warum ich mir das Buch “Vegane Ernährung für Babys und Kleinkinder: Alles, was Eltern wissen müssen, damit ihr Kind optimal versorgt ist – Mit über 50 Rezepten – gesund, einfach, lecker” von Whitney English und Alexandra Caspero (Goldmann Verlag) trotzdem zu Gemüte geführt habe? Weil meine Tochter an EoE (eosinophile Oesophagitis) leidet und man hier oftmals eine 6-F-Diät empfiehlt, die viele Überschneidungen mit der veganen Ernährungsform hat. Man darf zwar Fleisch an sich essen (unverarbeitet ohne Zusatzstoffe, also Wurst zB eher nicht), aber keinerlei tierische Milchprodukte, keine Eier, keine Meerestiere usw. 
Und da ich zwar kein Problem habe, auf Wurst und Fleisch zu verzichten, mir Quark, Butter und Sahne aber enorm fehlen würden, erhoffe ich mir hier ein paar gute Rezepte, die ich mal ausprobieren kann, um mich ranzutasten.

Erste Erkenntnis: Die Rezepte stehen hier nicht im Vordergrund, sondern die Einführung in die Materie mit fundierten Hintergrundinformationen. Die beiden Autorinnen, selbst Mütter und Ernährungswissenschaftlerinnen, fangen ganz vorne an und erklären uns Schritt für Schritt, wie Nahrung aufgebaut ist, was essenziell ist, was das Kind für eine gesunde Entwicklung braucht und wie es das bekommt. Während die vegane Ernährung für Babys und Kleinkinder in Deutschland von der DGE nicht empfohlen wird, steht man dem Thema in Amerika offener gegenüber. Hier wird m.E. nach etwas einseitig immer wieder der Vorteil “kein Übergewicht” bei vegan ernährten Kindern in den Vordergrund gerückt – vielleicht ist das auch der Aspekt, weswegen die Amerikanischen Gesundheitsbehörden dem Thema weniger skeptisch gegenüberstehen. Schließlich sind die stetig dicker werdenden Kinder dort ein noch deutlich gravierenderes Problem als bei uns. 

Bevor wir uns nun dem zuwenden, was ein Baby zum Gedeihen wirklich braucht, räumen die beiden Ernährungswissenschaftlerinnen noch  mit einigen Mythen rund ums vegane Essen auf und schon starten wir mitten rein in die Ernährungskunde für Kids. Kalorien, Makronährstoffe, Mikronährstoffe: Welche gibt es? Wofür brauchen wir sie? Woher kriegen wir sie? Verständlich, aber sehr detailliert. Das hier ist  definitiv eher für alle, die sich richtig intensiv damit befassen wollen und alles nachvollziehen können wollen. 
Dann kommen wir zum V3-Teller (Veggie-3), also ein in die drei Rubriken “Obst & Gemüse”, “Hülsenfrüchte/Nüsse/Samen)” und “Grünzeug/ Bohnen/ Getreide” eingeteilt ist. Alle drei Abschnitte nehmen den gleichen Raum ein. Wie wir unsere Mahlzeiten nach diesem Konzept aufbauen und wie groß die Portionen für welches Alter sein sollen, erfahren wir im darauf folgenden Teil. Und auch hier gibt es wieder geballte Infos zu allen Nährstoffen, die wir brauchen. Wir erfahren, wie wir sie für den Körper verfügbar machen, worauf wir achten müssen, wie sie sich gegenseitig beeinflussen, Ein paar Bilder mit Beispieltellern veranschaulichen uns die Aufteilung und die Portionsgrößen – okay, riesig sind die Portionen nicht. 
Unterschieden wird bei den Mengen und Darreichungsformen nach 6-9 Monate/ 10-12 Monate/ 1-3 Jahre.

Ich persönlich finde die Beispiel für Zwischenmahlzeiten wie “in Hanfsamen gerollte Bananenstücke”, “in Sesamsamen gerollte Avocado”, “Hülsenfrüchte-Muffins” oder “Toaststreifen mit Erdnussbutter und Chia-Mus” jetzt nicht soooo sexy. Hat irgendwie so was von Dinkel-Dörte und Tofu-Tanja. Und wo kriege ich sowas unterwegs? Hm. Noch bin ich  nicht überzeugt. 

Nochmal einen Schritt von den V-3-Tellern weg, beginnen wir nun bei den ersten 6 Monaten, in denen das Baby nur trinkt und erfahren hier alles rund um Trinkmenge, Stillen, Fläschchen usw. Interessant fand ich hier in erster Linie, dass beiden Kaffee und Alkohol in Maßen in der Stillzeit unbedenklich finden. Basiert aber auch wieder auf amerikanischen Studien. 

Dann geht es um die Phase der ersten Häppchen im Alter von 6-12 Monaten. BLW wird vorgestellt und anschaulich mit Bildern erklärt. Zu einzelnen Obst- und Gemüsesorten sowie Hülsenfrüchten gibt es Tipps, wie man sie zubereiten und BLW-gerecht servieren soll. Auch zu Babygläschen und dem Thema Füttern gibt es Tipps (aber weniger, da beide es nicht praktizieren). Es gibt Hinweise zu “zu vermeidenden Nahrungsmitteln” und Tipps zur Essens-Kommunikation mit Kleinkindern (Zeichensprache für Hunger/ satt/ mehr). Fütterungspläne und FAQs runden das Kapitel ab.

Dann sind wir bei den Kindern von 1-3 Jahren und befassen uns intensiv mit Kuhmilch, Nährstoffbedarf, Essverhalten usw. Da wir viel schon in den vorherigen Kapiteln behandelt und gelernt haben, ist das Kapitel echt kurz. Weiter geht es dann mit der Umsetzung im Alltag und hier bin ich dann raus. Snacks muss man sich immer von daheim mitnehmen, im Urlaub nehmen die Autorinnen ins Hotel Zutaten mit, die dann von der Küche verarbeitet werden könne, in die Kita oder zu Kindergeburtstagen bringen die Kinder das, was es dort zu essen gibt als vegane Variante mit, damit sie sich nicht ausgegrenzt fühlen. Das heißt, die Mamas rufen immer die Infos ab, was es zu essen gibt und kochen das dann nach. Na Prost Mahlzeit, da hast du dann aber auch sonst nix zu tun, oder?

Sorry, das macht doch kein Kind mehr  mit sobald es alt genug ist zu verstehen, was seine Mutter da eigentlich abzieht. Finde ich irgendwie befremdlich. Aber auch den Ansatz zu sagen: “Ich wähle die Kita/ Schule für mein Kind aus, die vegane Gerichte anbietet oder mir zumindest gestattet selbst das Essen zu bringen”. Bei uns nimmt man den Kitaplatz, den man kriegt und die Schule, der man zugewiesen wird?! Finde ich extrem unsympathisch und stressig.

Was ein Glück, dass wir dann zu den Rezepten kommen. “Kichergrütze”, “Heidelbeer-Muffin-Mix”, “Erbsenschale”, “Rote-Bete, süß”, “Tex-Mex-Hirsebällchen”, “Quinoa-Pflaumen-Riegel”, “Linsen-Pizza-Streifen”, “Haferflockenauflauf mit Apfel”, “Cremiges Bircher-Müsli”, “Makkaroni mit Sonnenblumenkernen”, “Bohnen-Mais-Taquitos”, “Sloppy Joes mit Linsen” … ja, das ist alles gut machbar und durchaus auch lecker. Da würde mir nichts fehlen. Ob das allerdings dann auch etwas für tagtäglich wäre, da bin ich mir nicht sicher.

Für alle, die richtig fundiert in das Thema einsteigen wollen eine gute Lektüre, die einen umfassend berät. Für alle anderen, die sich nicht dogmatisch vegan ernähren wollen in Summe ein bisschen zu umfassend und zu tief. Für mich persönlich nicht wirklich machbar und etwas alltagsfremd. 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert