vererbte Bücherliebe

Ein Buch, das mich in seiner Vielschichtigkeit und Übertragbarkeit extrem beeindruckt hat, ist “Traue niemals einem Raben” von Brigitte Endres und Michael Mantel (aracari Verlag). Kindergerecht aufbereitet geht es hierbei um “fake News”, unkritische Übernehmen von Gerüchten, Herdentreiben und Stimmungsmache. Alles also Themen, die gerade im Hinblick auf (welt)politische Themen derzeit mit den anstehenden Wahlen mal wieder extrem präsent sind. Aber wie schafft es das Buch dieses schwere Kost für Kinder ab 4 Jahren aufzubereiten? Eines Tages werden das Eichhörnchen und die Haselmaus (beide sehr gutgläubig und leicht zu beeinflussen) von Okrah, dem Oberhaupt der Rabenschar, vor einem drohenden Unheil gewarnt.

Dieses ES wird nicht näher definiert, wir erfahren nur, dass es unsichtbar für alle Tiere außer die Raben ist und alles fressen wird, was sich bewegt (natürlich auch außer den Raben). Die einzigen, die in der Lage sind, die Tiere zu retten, sind nach eigenen Angaben die Raben.

Panisch laufen Haselmaus und Eichhörnchen nun zu den anderen Tieren und berichten von der Gefahr. Ihr Anführer, der kluge Bär, lässt darüber abstimmen, wie sich die Tiere verhalten sollen – weiter leben wie bisher oder sich verstecken. Da mittlerweile fast alle Tiere sich von der Furcht haben anstecken lassen, stimmen bis auf Fuchs und Dachs alle für Letzeres.
Und während nun nach einigen Tagen bei den Tieren ohne Vorratshaltung der Hunger zum Problem wird und sie dazu zwingt, sich aus dem Versteck zu wagen, keimt zwischen ihnen und denen mit Vorräten Streit. Da tauchen die Raben auf und bieten den Tieren an, diese zu beschützen, wenn man Okrah im Gegenzug zum Anführer aller Tiere macht….

Gewisse Parallelen zu gesellschaftlichen Entwicklungen lassen sich nicht leugnen. Das Buch zeigt auf erschreckend subtile Weise, wie Manipulation und Panikmache funktionieren, wie sich ganze Gruppierungen beeinflussen lassen und welche Gefahr das für alle bedeutet, wenn die Masse sich zu leicht lenken lässt, ohne Botschaften in Frage zu stellen. 

 

Klar kann ich meiner Tochter mit ihren fünf Jahren jetzt nicht erklären, dass wir es hier gewissermaßen mit einer modernen Fabel handelt und die Tiere eigentlich durch Menschen ersetzt werden könnten, aber der Inhalt ist ihr klar, denn sie ruft sofort: “Der Rabe lügt, glaubt dem nicht!”. Wäre doch schön, wenn das in der Realität auch immer so eindeutig zu erkennen und klar zu benennen wäre … Vor eine Jahr als wir das Buch die ersten Male gelesen haben, war das Verständnis noch nicht ganz so klar.  Vier könnte also fast ein bisschen zu früh für dieses doch recht düstere und komplexe Buch sein.

Definitiv ein lehrreiches Buch, das auf mehreren Ebenen verstanden werden kann und zum Nachdenken anregt – sicherlich auch noch für deutlich größere Kinder geeignet. 

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